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Begriffsgeschichte

Keine Angst vor Medienkompetenz

Die Geschichte des Begriffs Medienkompetenz und ihrer Vermittlungsinstanz Medienpädagogik ist geprägt durch temporär dominierende, sich aber gegenseitig nicht ausschließende Strömungen und Zyklen. Diese Zyklen sind immer auch Ausdruck eines gesellschaftspolitischen Kontextes. Ursprünglich stellten die „Massenmedien“ den Hauptgegenstand der Diskussion dar. Bereits in den 1920er Jahren des vergangenen Jahrhunderts stellte Bertolt Brecht (1898–1956) ganz konkrete und pragmatische Forderungen zur Befähigung des einfachen Bürgers in der Anwendung und Nutzung der Medien. Er forderte 1927 eine Demokratisierung des Rundfunks. Erst am Ende der 1960er Jahre, in „gesellschaftspolitisch anderer Zeit“, kam der Begriff der „Medienkompetenz“ auf. Die Bevölkerung solle, so forderte Hans Magnus Enzensberger in Anlehnung an Brecht, überall dabei sein, auch bei der Produktion von Medien. Er postuliert in einer zentralen Stelle seiner Theorie der Medien:

„Ein revolutionärer Entwurf muß nicht die Manipulateure zum Verschwinden bringen; er hat im Gegenteil einen jeden zum Manipulateur zu machen.“ (Hans Magnus Enzensberger)

Auch durch Enzensbergers Veröffentlichungen zur Konkretisierung von Brechts Forderung nach Demokratisierung der Medien erfuhr Ende der 1960er Jahre der Begriff Medienkompetenz einen Bedeutungswandel. Die Medien wurden in den 1950er und 60er Jahren vielmals als Gefährdung betrachtet, und viele Experten und Pädagogen, unter ihnen Martin Keilhacker, nahmen eine bewahrpädagogische Grundhaltung ein. Diese zurückhaltende bis ablehnende Haltung gegen Fernsehen und neue Medien allgemein beruhte auf der Annahme vieler Pädagogen, das Buch sei das wertvollere Medium. Man wollte daher die alten Kulturwerte durch pädagogische Maßnahmen bewahren; Medienkompetenz wurde in diesem Zusammenhang als Fähigkeit verstanden, wertvolle Inhalte von minderwertigen zu unterscheiden und für sich das richtige und förderliche auszuwählen.

Durch handlungsorientierte Pädagogik und Kulturarbeit in den 1970er und 80er Jahren hatte eine nicht mehr nur abwehrende Haltung gegenüber den Medien die Oberhand gewonnen. Die Medien wurden in ihren gestalterischen Potenzialen für die Bildungssozialisation wahrgenommen. Als Leitbegriffe dominierten jetzt kommunikative Kompetenz, Lebenswelt, Alltag, authentische Erfahrung, handelndes Lernen und vor allem Handlungskompetenz und Medienkompetenz. Durch handelndes Lernen im Gegenstandsbereich der sozialen Realität sollte in der Verbindung von Reflexion und Handeln die Realität sowohl angeeignet als auch mitgestaltet und verändert werden.

Der Begriff Medienkompetenz scheint problematisch, weil seine Uneindeutigkeit dazu verleitet, ihn falsch zu verwenden, und zwar als Beschreibung einer Reihe von Fähigkeiten, die man sich aneignen muss, um Medien richtig verwenden zu können. Nach Vollbrecht (2001, S. 57f.) soll es allerdings nicht um die Aneignung bestimmter Fähigkeiten, wie zum Beispiel die Verwendung eines bestimmten Computerprogrammes gehen, sondern darum zu lernen, wie man sich selbst ein beliebiges Programm aneignet – also um das „Lernen des Lernens“. Unter Medienkompetenz versteht Vollbrecht also Schemata (kognitive Strukturen) die den Menschen befähigen Medien nach Belieben (kreativ) zu nutzen und nicht ein bestimmtes Handeln festlegen. Nur durch solche Lernprozesse können sich schließlich die „Schemata“ selbst verändern und somit die Medienkompetenz weiterentwickeln.[2]

Seit den 1990er-Jahren hat Baackes Definition von Medienkompetenz besondere Bedeutung erlangt. Dieter Baacke gliederte den Begriff in vier Dimensionen: Medienkritik, Medienkunde, Mediennutzung und Mediengestaltung. Er trug Anfang der 1970er Jahre entscheidend zur Prägung des Begriffes Medienkompetenz bei. In früheren Schriften verwendete er den allgemeineren Begriff der Kommunikativen Kompetenz und stand dem Begriff der Medienkompetenz kritisch gegenüber, da er ihn als „leer“ empfand. Er kritisierte, dass der Begriff nicht aussagt, was man sich unter Medienkompetenz konkret vorzustellen habe und wie man sie vermittele.

Baacke betrachtet Medienkompetenz im Grunde als eine Variante kommunikativer Kompetenz, da Kompetenz für jede Art der Kommunikation und somit auch für mediale Kommunikation als angeboren angenommen wird, im Sinne einer „Fähigkeit, in die Welt aneignenderweise auch alle Arten von Medien für das Kommunikations- und Handlungsrepertoire von Menschen einzusetzen“ (Baacke, zitiert nach Vollbrecht 2001, S. 56). In Nachfolge Baackes hat Peter Lokk den Begriff insbesondere auf die Teilhabe (Partizipation), Medienkritik sowie Vermittlung praktischer Nutzungskompetenz in Bezug auf die Neuen Medien erweitert.[3]

 

Schiersmann et al.

Schiersmann et al. (2002, 19) haben versucht, „den Begriff der Medienkompetenz zu spezifizieren, seine Dimensionen zu klären und zentrale inhaltliche Diskursstränge zueinander in ein Verhältnis zu setzen“. Für sie setzt sich Medienkompetenz „aus drei sich ergänzenden Bausteinen zusammen:

* Kompetenz zur Handhabung und Nutzung von (Medien-, IuK-) Technik
* Kompetenz zur Gestaltung von sozio-technischen Systemen mit Hilfe von (Medien-, IuK-) Technik
* Kompetenz zur kundige[n] Kritik von (Medien-, IuK-) Technik.“ (a.a.O, 64)

Anhand von Leitfragen („Was, d.h. welcher Gegenstandsbereich wird genauer thematisiert?“, „Wozu Medienkompetenz?“ und „Wie beweist man Kompetenz?) positionieren sie dann die unterschiedlichen Begriffsaufweisungen in einem Begriffsraum.

Medienkompetenz wird von Bernward Hoffmann in 4 weitere Teilaspekte untergliedert. Der personelle Bezug beschreibt die sinnlich affektive Wahrnehmung und das Erleben von Medieneinflüssen auf das Individuum. Dessen Mündigkeit gegenüber Medien sollte ausgebildet sein, um die Machtart und die Bedingtheit von Medien zu verstehen, sowie diese zu durchschauen. Als zweite Schlüsselkompetenz in unserer heutigen Informationsgesellschaft stellt Hoffmann den sozialen Bezug dar. Medienkompetenz darf nicht nur subjektiv auf das Individuum projiziert werden, sondern muss im Kontext der Gesellschaft und deren Gruppen (wirtschaftlich, sozial, kulturell) gesehen werden. Die Aufnahme von Informationen aus Medien und damit den Nutzungsaspekt – rezeptiv – nennt Hoffmann als dritten wichtigen Aspekt. Medien sind für den Menschen ein wichtiges soziales Referenzsystem, mit dessen Hilfe das Erfassen und Verstehen der Welt vereinfacht werden kann. Daher ist es notwendig, sich in der Vielfalt des Medienangebots zu Recht zu finden, um sich dieses nutzbar zu machen. Dies wird vom Subjekt durch gestalterisch aktive Teilnahme am medialen Alltag erreicht. Dieser Handlungsaspekt soll vom Subjekt aufgegriffen werden, um sich die Medien als Werkzeug für die eigenen sozialen Interessen nutzbar zu machen.

In einer Analyse von über einhundert Definitionen von Medienkompetenz zeigt Gapski (2001), dass in den untersuchten Wortklärungen üblicherweise unterschiedliche Dimensionen oder Ebenen ausdifferenziert werden, um den Komplexbegriff beschreibbar zu machen. Beispielsweise definiert Aufenanger (1997) sechs Dimensionen der Medienkompetenz, während Groeben (2002) sieben Dimensionen von Medienkompetenz benennt, „die eine Optimierung von Differenzierungsgrad und Integrationswert bieten“ und bisherige medienpädagogische Modellierungen „integrativ“ abdecken sollen.

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